Angedacht
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir leben gerade - wenn man den Kalender betrachtet - zwischen Ostern und Pfingsten oder genauer gesagt zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Jesus ist nicht mehr da. Er ist nun bei seinem Vater im Himmel. Er wandert nicht mehr mit seinen Jüngern im Gefolge über diese Erde. Er ist leider nicht mehr so nah erlebbar wie zu seinen Erdentagen. Das hat schon seine Jünger damals verängstigt. Sie fragen sich: Wie soll es ohne unseren Lehrer Jesus weitergehen? Jesus bereitet seine Freundinnen und Freunde darauf vor, als er noch bei ihnen ist, auf die Zeit ohne ihn. Der Evangelist Johannes hat viele Abschiedsworte Jesu zusammen getragen. Wichtig ist in all diesen Reden: Jesus lässt seine Jünger und uns alle nicht allein und ohne Orientierung. "Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen", sagt er. Waisen sind ohne Eltern. Sie haben es schwer. Aber was macht er nun, um die fehlenden Eltern und den verlorenen Freund zu ersetzen?
Er schickt den Geist, einen Tröster, der wie eine Mutter oder wie ein Vater sich unser annimmt. Damit wir nicht mutterseelenallein herumirren. Damit wir jemanden haben, der uns an die Hand nimmt, der uns stärkt, tröstet und uns Mut macht zu unseren Schritten im Leben. An Pfingsten ist dieses Versprechen in Erfüllung gegangen. Die Jüngerinnen und Jünger und alle, die bei ihnen waren, haben das Wirken des Geistes kraftvoll gespürt. Ein Brausen kam vom Himmel, Feuerzungen erschienen, die verkündigten Worte konnte jeder verstehen, 3000 Menschen sind getauft worden. All das muss überwältigend gewesen sein. Manche glaubten, es ginge nicht mit rechten Dingen zu und wollten den süßen Wein dafür verantwortlich machen. Da war echt was los beim ersten Pfingstfest in Jerusalem. Seitdem ist keine rechte Ruhe mehr eingekehrt, seitdem gibt es die Kirche, seitdem erleben wir den Geist und reden von ihm.
Genau genommen leben wir modernen Menschen immer ein wenig zwischen Ostern und Pfingsten. Jesus können wir nicht so direkt erleben wie die ersten Jüngerinnen und Jünger. Wir fühlen uns manches Mal auch wie die Waisen, allein gelassen auf der Suche nach Gott. Und dann wiederum gibt es Momente in unserem Leben, da erwischt uns auch der heilige Geist, ganz unerwartet und nicht planbar. Er bringt einiges durcheinander und sorgt doch dafür, dass wir verstehen. Wir erkennen ihn plötzlich, in einem Wort, in einer Begegnung, in einem Menschen, der sich uns zuwendet. Gott kommt uns durch seinen Geist ganz nahe und wir können vertrauen. Der Geist weht ja bekanntlich, wo er will. Er lässt sich nicht aufhalten durch Kirchenmauern und an Ländergrenzen. Er spricht viele Sprachen, am besten die Sprache der Liebe. Wo in seinem Geist gehandelt, geredet, gebetet und geliebt wird, da ist er und macht Menschen zu einer Gemeinschaft. Wo das geschieht, ist Kirche. Wie gut, dass der Geist immer wieder kommt, mit seiner Kraft. Wie gut, dass er schafft, was wir nicht für möglich halten.
In diesem Sinne frohe Pfingsten!
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin