Angedacht

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Angedacht

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist Sommer. Zeit der Liebe und Hochzeit der Hochzeiten. Auf Standesämtern größerer Städte kommen die Paare an manchen Tagen, vor allem am Wochenende, im Halbstundentakt, um die Ehe zu schließen.

Auch wir waren am Wochenende auf einer solchen Hochzeit eingeladen. Morgens Standesamt, das ging schnell und dauerte keine 15 Minuten, abends Feier bis in die Nacht. Keine kirchliche Trauung zwischendurch. Es ist unpopulär geworden, kirchlich zu heiraten und bei diesem großen Schritt über Gott und die Liebe nachzudenken, Gottes Segen zu erbitten und zugesprochen zu bekommen. Die meisten Paare entscheiden sich dagegen, wollen nicht kirchlich heiraten, auch wenn sie noch Kirchenmitglied sind. Oder sie sind aus der Kirche ausgetreten oder waren nie Mitglied.

Auf einer solchen nicht kirchlichen Hochzeit in einer deutschen Großstadt waren wir am Wochenende. Da haben wir, mein Partner und ich, uns die Freiheit genommen, während der Feier wenigstens einen alten Text aus der Bibel vorzulesen, das „Hohelied der Liebe“ aus 1. Korinther 13. Wir dachten vorher, dass wenigstens dieser Text, einer der bekanntesten der Bibel und damit auch ein wichtiges Stück Weltliteratur, bei den meisten halbwegs bekannt sei. Wir machten allerdings die verblüffende Erfahrung, dass so gut wie niemand diesen Text vorher kannte und kaum jemand es für möglich hielt, dass er schon 2000 Jahre alt ist und wir ihn unverändert vorgelesen haben. Deswegen hänge ich ihn auch hier noch mal an. Klüger, tiefsinniger und schöner kann man nicht über die Liebe reden. Und natürlich weiß Paulus, der diese Zeilen verfasst hat, dass Gott die Liebe ist und alle Liebe letztlich von ihm kommt.

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.  Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1. Korinther 13, 1-13)

Dies ist mein letztes Angedacht als erste Pfarrerin von St. Matthäus. Nachdem ich vor neun Jahren diese Pfarrstelle übernommen hatte, habe ich etwas später diese Form des regelmäßigen geistlichen Wortes in den Mitteilungsblättern angefangen, denn ich habe Freude am Schreiben „für alle Welt“ und erlebe, dass diese schriftlichen Zeilen mehr „Gehör“ finden wird als die vielen Worte in unseren Gottesdiensten. Es gab oft Feedback, dankbar zustimmendes oder auch mal kritisch hinterfragendes. Beides hat mich gefreut und inspiriert. Danke dafür. Wir haben als Christinnen und Christen viel Spannendes von unserem Glauben zu erzählen, deshalb wird das Angedacht über Gott und die Welt bleiben, auch wenn ich gehe.

Ich wünsche Ihnen, all den Leserinnen und Lesern der Mitteilungsblätter, Gottes Segen und viel Liebe! Die Liebe ist die Größte, die alles sehr gut macht.

Mit liebevollen Grüßen
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin