Angedacht

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Angedacht

Die Israeliten sagten zu Mose und Aaron: »Hätte der Herr uns doch in Ägypten sterben lassen! Dort saßen wir an den Fleischtöpfen und konnten uns satt essen. Jetzt habt ihr uns in diese Wüste geführt, wo wir alle vor Hunger umkommen werden.« (2. Mose 16, 2f)

Liebe Leserin, lieber Leser,

finden Sie das Leben wundervoll – voller Wunder? Glauben Sie sogar an Wunder? Albert Einstein soll einmal gesagt haben: Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder. “ Ich halte mich da lieber an Letzteres. Und so möchte ich heute und in den folgenden Ausgaben mit Ihnen über Wunder nachdenken. Am besten anhand der Wundergeschichte, deren Anfang ich oben zitiert habe. Wie viele Wunder mögen wir in dieser Geschichte entdecken?

Zunächst zum Kontext: Wir befinden uns in der Wüste. Das Volk Israel ist vor zwei Wochen durchs Schilfmeer gezogen, hat die Sklaverei hinter sich gelassen. Sie sind endlich frei. Doch jetzt ziehen sie durch die Wüste. Sie bekommen Angst zu verhungern und fangen an zu rebellieren. Doch die Geschichte geht gut aus. Gott gibt ihnen Nahrung: Fleisch und das sogenannte „Manna“. Aber dazu später.

Ich entdecke das erste Wunder in dieser Geschichte schon in diesem Anfang. Denn im Grunde haben wir es mit einer uns absolut fremden Geschichte zu tun. Keiner von uns hat etwas zu tun mit Leuten, die vor tausenden von Jahren gelebt haben. Diese Geschichte dürfte uns überhaupt nicht interessieren. Und doch spricht sie zu uns. Wir erkennen uns in ihr wieder. Sie ist ungemein aktuell. Denn auch heute rebellieren viele oder wie Luther übersetzte „murren“ viele über die Lage. Murren bedeutet so viel wie „motzen“, „den Frust rauslassen“, sich voller Angst und Hass gegen „die da oben“ wenden, die sie scheinbar in den Untergang führen. Damals waren Mose und sein Bruder Aaron die Zielscheiben, heute sind es Parteien und Regierungen, die wie diese beiden „dem Volk“ neue Wege gleichsam „durch die Wüste“ zumuten, also Wandel und Veränderung. Aber das kennen wir: Kein Mensch liebt Veränderung.

Aber es gibt noch ein zweites Verhalten, in dem wir uns wiedererkennen: Das Verklären der Vergangenheit nach dem Motto: Früher war alles besser. Wenn jemand die DDR oder gar das Naziregime verklärt, dann scheint das dieser Reflex zu sein, den wir schon bei den Israeliten beobachten können: In Ägypten waren sie die Sklaven, die von den Aufsehern ausgepeitscht wurden und nicht selten bei der mörderischen Arbeit umkamen. Doch keinen Monat später ist das alles vergessen und sie sagen: War das schön bei den Fleischtöpfen in Ägypten!

Das erste Wunder ist also: Wir erkennen uns in diesem uralten Text wieder und mit seiner Hilfe können wir unsere gesellschaftliche Situation einordnen und deuten. Das zweite Wunder ist, wie Gott auf diese Rebellion reagiert. Aber dazu das nächste Mal.

Herzlich grüßt Sie
Ihr Pfarrer Matthias Leibach