Angedacht

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Angedacht

Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Markus 10,25

„Zu einem seltsamen Versuch
erstand ich mir ein Nadelbuch.
Und zu dem Buch ein altes zwar,
doch äußerst zähes Dromedar.
Ein Reicher auch daneben stand,
zehn Säcke Gold in jeder Hand.

Der Reiche ging alsbald herfür
und klopfte an die Himmelstür.
Drauf Petrus sprach: Geschrieben steht,
dass ein Kamel weit eher geht
durchs Nadelöhr, als Du, Du Heid’,
durch diese Türe, groß und breit.

Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,
ihm zeigend hinterm Nadelöhr,
ein Zuckerhörnchen als Duceur.
Und siehe da, das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch.
Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als: Wehe mir!“

(Christian Morgenstern)

Liebe Leserin, lieber Leser,

was verstehen Sie unter Reichtum? Wohl eher das, was man sich erarbeitet und verdient hat. Und was man sich verdient hat, das steht einem auch zu. Da soll kein Blatt dazwischen passen, zwischen mir und dem, was mir gehört. Das ist die Moralität des Reichtums, von dem der Philosoph Theodo W. Adorno spricht. Und er sagt auch, das Christentum sei die erste Religion, die den moralisch guten Reichtum in Frage stellt. Warum? Nun, es geht Jesus wohl darum, dass der Mensch viel mehr ist als ein Besitzer oder Eigentümer. Denn das, was man besitzt, besitzt einen, beschäftigt, fesselt einen und macht einen mitunter besessen von dem, was man hat. Darüber kann man leicht den Blick verlieren für das, was wirklich zählt im Leben. Als Pfarrer habe ich am Sterbebett viele Menschen begleitet. Mir ist aufgefallen, dass es vor allem erfolgreiche und reiche Menschen sind, die mitunter bereuen, etwas im Leben verpasst zu haben. Z.B. dass sie nicht miterlebt haben, wie ihre Kinder aufgewachsen sind, dass zu wenig Zeit für die wichtigen Beziehung war, dass sie nicht zu dem gekommen sind, was ihnen wirkliche Freude bereitet. Dass jemand bereut, dass er nicht noch reicher geworden ist, habe ich noch nie gehört.

Herzlich grüßt Sie
Ihr Pfarrer Matthias Leibach